Eine gute psychische Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens, genau wie eine gute körperliche Gesundheit. Wir erhalten ständig Ratschläge darüber, wie wir uns um unseren Körper kümmern sollen. Aber was wir für unser psychisches Wohlbefinden tun können oder an wen wir uns wenden können, wenn es diesbezüglich Probleme gibt, ist lange zu kurz gekommen.
Ein größeres Bewusstsein und die Bereitschaft, über psychische Gesundheit zu sprechen, haben eine neue Ära des Verständnisses und der Akzeptanz eingeläutet und einige Schichten der öffentlichen Stigmatisierung durchbrochen. Es liegen jedoch noch viele Herausforderungen vor uns.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen psychischer Gesundheitsprobleme sind abschreckend: 25 % der europäischen Bevölkerung leidet an Depressionen oder Angstzuständen, neuropsychiatrische Störungen machen 19,5 % der Krankheitsbelastung in den EU-Ländern aus. Dagegen erreichen die Kosten für Stimmungsstörungen und Angstzustände 170 Milliarden Euro pro Jahr (1).
Die persönlichen Auswirkungen sind verheerend: Leben ruiniert, Familie zerbrochen und alle Möglichkeiten ausgelöscht. Bis zu 50 % der chronischen Krankschreibungen sind auf Depressionen und Angstzustände zurückzuführen 1und kein Land ist vor Selbstmord gefeit. Die Weltgesundheitsorganisation hat 2019 eine Kampagne zur Suizidprävention gestartet. Grund hierfür war die Erkenntnis, dass sich in Europa jedes Jahr 128.000 Menschen das Leben nehmen (2).
Psychische Gesundheitsprobleme sind komplex, wobei Einflüsse wie Familie, Beschäftigung, Armut, Diskriminierung und Zugang zur Gesundheitsversorgung eine Rolle spielen.
Mental Health Europe, die größte unabhängige Netzwerkorganisation, die Nutzer, Fachkräfte und Dienstleister im Bereich der psychischen Gesundheit in ganz Europa vertritt, setzt sich dafür ein, dass die psychische Gesundheit in Bezug auf Finanzierung und Versorgung mit der körperlichen Gesundheit gleichgestellt wird. Diesbezüglich erklärte die Organisation: „Wir setzen uns für die Verbesserung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens sowie für die Rechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen ein. Und wir möchten das Bewusstsein schärfen, um die Stigmatisierung und Diskriminierung psychischer Erkrankungen zu beenden.“ (3)
Es ist wahrscheinlich, dass wir alle in unserem Leben in irgendeiner Form von psychischer Krankheit betroffen sein werden. Aber für viele ist es alles andere als eine vorübergehende Phase, da die psychische Erkrankung tiefgreifende und dauerhafte Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Lebens haben wird, so z. B. auf das Glück, die Fähigkeit, Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten und auf die Möglichkeit, ein produktives Leben zu führen.
Die Auswirkungen beginnen bereits im frühen Alter und setzen sich während des gesamten Lebens fort. Untersuchungen zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit schlechter psychischer Gesundheit wahrscheinlich schlechtere schulische Leistungen erbringen und weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Erwachsene zeigen bei der Arbeit weniger Produktivität und haben eher Beziehungsprobleme. Ältere Menschen neigen dagegen dazu, sich zu isolieren, wenn sie psychisch erkranken. (4)
Die zwingenden Gründe, die psychische Gesundheit zu entstigmatisieren und die Versorgung zu verbessern, gelten für alle Alters-, Geschlechts- und sozioökonomischen Gruppen und alle Regionen.
Die zunehmende Evidenz über und das wachsende Bewusstsein für die Belastung, die durch psychische Gesundheitsprobleme verursacht werden, haben in Europa zu Verbesserungen geführt. Die persönlichen und wirtschaftlichen Folgen stellen jedoch immer noch eine Belastung für die Gesellschaft und die nationalen Gesundheitssysteme dar.
Psychische und physische Gesundheit sind eng miteinander verknüpft und können sich untereinander stark beeinflussen, im Guten sowie im Schlechten. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als „einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und des sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“. (5)
Diese Definition besteht seit 1948 unverändert.
Untersuchungen haben gezeigt, dass 30 % der Menschen mit einer langfristigen körperlichen Erkrankung auch an Depressionen oder Angstzuständen leiden. Die Auswirkungen einer unzureichenden psychischen Gesundheit auf körperliche Erkrankungen kosten dem britischen Gesundheitssystem NHS schätzungsweise 9 Milliarden Euro pro Jahr (6). Kosten dieser Größenordnung finden sich in ganz Europa wieder und stellen einen bedeutenden Anteil an den Gesamtkosten von 600 Milliarden Euro in den 28 EU-Ländern dar. (7)
Referenzen:
- World Health Organisation Regional Office for Europe. Facts and Figures. Accessed February 2021. https://www.euro.who.int/en/health-topics/noncommunicable-diseases/mental-health/news/news/2012/10/depression-in-europe/depression-in-europe-facts-and-figures
- World Health Organisation Regional Office for Europe. WHO launches campaign on suicide prevention. Accessed February 2021. https://www.euro.who.int/en/media-centre/events/events/2019/09/who-launches-campaign-on-suicide-prevention
- Mental Health Europe. Our Mission. Accessed February 2021. https://www.mhe-sme.org/who-we-are-2/#1506698796176-ec64e16f-8e5b
- OECD/European Union. Promoting mental health in Europe. November 2018. Accessed February 2021. https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/health_glance_eur-2018-4-en.pdf?expires=1611771169&id=id&accname=guest&checksum=82CAA689890C8B4CDD6F862F9C004FFC
- World Health Organization. What is the WHO definition of health? Accessed February 2021. https://www.who.int/about/who-we-are/frequently-asked-questions
- The King’s Fund. Mental Health: Time to Think Differently. Accessed February 2021. https://www.kingsfund.org.uk/projects/time-think-differently/trends-disease-and-disability-mental-physical-health
- Mental health problems costing Europe heavily. Accessed February 2021. https://www.oecd.org/newsroom/mental-health-problems-costing-europe-heavily.htm